PoP II Roundtable DE

"Das Büro bleibt wichtig" – The Power of Place-Roundtable

In unserer neusten ISG-Studie „The Power of Place – Die Konsequenzen des Nichthandelns“ haben wir die Auswirkungen der aktuellen Krisen und besonders der Corona-Krise auf die Arbeitswelt aus den Perspektiven von Arbeitgebern und Arbeitnehmern beleuchtet und wie Büros aus diesen kurzfristigen Maßnahmen eine langfristige Strategie entwickeln können und was passiert, wenn keine Konsequenzen aus solchen Erlebnissen gezogen werden.
PoP II Roundtable DE Detail

Moderatorin Astrid Eberle begrüßte unter anderem Philipp Tidd von Gensler zum ISG-Roundtable auf der Expo Real

Kernergebnisse auf Arbeitnehmerseite in Deutschland

Die Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz steigert die Produktivität der Mitarbeiter signifikant. Mitarbeiter mit hochwertigen Arbeitsplätzen liegen laut eigenen Angaben bei Kundezufriedenheit (35 Prozent mehr Zustimmung und Mitarbeiterbindung 26 Prozent mehr Zustimmung) über den Werten von Mitarbeitern mit mangelhaften Arbeitsplätzen. Außerdem sind 66 Prozent der befragten Arbeitnehmer bereit, dauerhaft im Home Office zu arbeiten. Der vielprophezeite „Tod des Büros“ blieb aus. Die Ansprüche an Ausstattung und Qualität der Räumlichkeiten hat sich verändert, aber das Büro bleibt weiterhin wichtig. Gründe für das Arbeiten Büro bleiben das Zusammengehörigkeitsgefühl, die mangelnde Trennung von Beruf und Privatleben im Home Office sowie die Angst vor sozialer Isolation. Home Office sehen die Befragten aus Gründen wie Kostenersparnissen und nachhaltigerem Verhalten durch weniger Pendeln sowie eine bessere Work-Life-Balance als sinnvoll an.

Auf der Arbeitgeberseite

Außerdem: Investments in zeitgemäße Büros wirken sich positiv auf Unternehmensumsätze, Recruiting und Produktivität aus, so die Erfahrung der Unternehmen. So stiegen zum Beispiel die Umsätze der Unternehmen, die in ihre Flächen investierten und Flex-Work einführten, um 23,5 Prozent. Das Ermöglichen von Flex-Work-Modellen entspricht auch den Wünschen der Mitarbeiter, genau wie das Investment in zeitgemäße Flächen. So berichteten 69 Prozent der Unternehmen mit Investments ins Büro und hybridem Arbeiten, dass sie eine Produktivitätssteigerung festgestellt hätten. Auch aus den Lehren der Pandemie haben viele Unternehmen bereits Konsequenzen gezogen. So wurden Flächen teils neuen Nutzungen zugewiesen, neuen Services zugeteilt oder anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt. 

Roundtable-Diskussion

Zum Einstieg der Diskussionsrunde fragte Astrid Eberle die Teilnehmer, ob sie die Erfahrung gemacht hätten, dass Unternehmen mit hybriden Arbeitsformen und verbesserten Büros tatsächlich einen Nutzen aus diesen gezogen hätten.

Andrea Lipp erklärte dazu: Hier ist der Fokus immer schnell auf der technischen Infrastruktur und den Flächen, aber noch nicht so sehr auf den Führungskräften. Diese sollten meiner Meinung nach mehr mit Blick auf hybrides Arbeiten geschult werden, denn die Erwartung an die Führungskräfte hat sich ganz klar geändert. Geht man heute zu seinem Chef, erwartet man, dass der Chef Tools wie Teams etc. beherrscht. Da muss noch mehr passieren.

Andreas Tidd ergänzte: Wir sind immer noch in einer Übergangsphase aus der Pandemie hinaus und wissen noch nicht genau, wo es in der post-pandemischen Welt hingeht. 30 Jahre hat die Immobilienbranche bei ihren Metriken großen Wert auf die Flächen-Effizienz von Gebäuden gelegt. Man hat geschaut, wie die Belegungsrate ist oder wie viele Leute gleichzeitig am Schreibtisch sitzen und wie lange das der Fall ist. Wir denken, dass solche Metriken ein Auslaufmodell sind, und zwar weltweit. Es geht mehr darum, was Menschen tun, nicht wo sie es tun.

Robert Wohlleben: Traditionelle Branchen mit Einzelbüros suchen nun auch die Möglichkeiten des hybriden Arbeitens, wenn neue Flächen gesucht werden. Das haben wir beobachtet, als wir eine Kanzlei beim Umzug in neue Räumlichkeiten begleitet haben. Dort sollte auch hybrides Arbeiten eingeführt werden. Was eine Herausforderung war, da das Büro in der Branche durchaus ein Statussymbol ist. Sie haben z.B. für 90 Mitarbeiter 65 Plätze gebucht – das hat anfangs zu Diskussionen geführt, ließ sich aber dank Change Management gut auffangen. Zu mehr Flächeneffizienz hat das hybride Arbeiten nicht beigetragen, denn andere Flächen wurden für Break-Out-Rooms für die Mitarbeiter genutzt, um sich als Arbeitgebermarke zu positionieren.

Andrea Lipp: Mitarbeiter müssen bei einem solchen Change in ihren Erwartungen geleitet werden. Die Führung muss eine Vision der Arbeitskultur vermitteln. Man sollte klarmachen: Wir wollen viel tun, damit ihr euch alle wohlfühlt, aber wir spielen hier trotzdem kein Wunschkonzert. Dies muss mit einer klaren Strategie der Führung gekoppelt werden, damit auch die richtigen Leute geholt und erfolgreich gearbeitet werden kann. Die Führung muss ihre Ziele formulieren, die nicht zulasten der Mitarbeiter gehen, aber trotzdem den Fokus auf dem erfolgreichen Arbeiten haben. Eine klare Kommunikation kann im Change Management über den Erfolg der Maßnahmen mitentscheiden.

Andrea Lipp Roundtable

Nimmt die Führungskräfte stärker in die Verantwortung: Andrea Lipp von Workplace-Change 

Astrid Eberle: Wie funktioniert das Soziale bei hybriden Modellen? Kann die Gestaltung des Büros etwas dazu beitragen?

Anette Diziol: Wir haben unsere Kollegen mit Morgenmeetings und Begrüßungen über MS-Teams zusammengebracht. Die Freude beim Reinkommen ins Büro war jedoch eine andere. Menschen kommen ins Büro, um zu Socializen, um etwas zu erleben, was sie zu Hause nicht erleben. Das Fit-Out und das Soziale im Büro müssen voneinander profitieren und zusammenpassen – schwierig, aber da müssen wir definitiv hin. Bei der Gestaltung müssen wir alle an einem Strang ziehen. Das Gemeinsame ist enorm wichtig, damit am Ende das Beste fürs Projekt herauskommt.

Tidd: Mittlerweile haben wir uns weltweit an Remote Work angepasst – aber wir brauchen immer noch soziale Kontakte und daher bleibt das Büro wichtig. Dafür sind modern gestaltete Flächen wichtig. Es geht aber nicht darum, nur Infrastruktur bereitzustellen, sondern auch Events und Zusammenkünfte zu schaffen, die die Angestellten ins Büro ziehen und ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Aber wir müssen auch eine gute Balance schaffen: Vor der Pandemie hatten wir oft Meetings, die viele nicht als sinnvoll ansahen, bei denen sie sich gefreut haben, als sie wegfielen. Also braucht es auch den kulturellen Change.

Lipp: Hier kann Design auch eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise bei der Farbwahl, oder der Lautstärke im Büro. Diese haben eine unterbewusste Wirkung auf das Wohlbefinden.

Eberle: Wurde Design tatsächlich genutzt, um solche Effekte zu erzielen? 

Tidd: Design wird definitiv genutzt, um einen Effekt auf die Mitarbeiter zu erzielen. Dazu haben wir auch Untersuchungen durchgeführt. Wir reagieren viel positiver auf Gebäude mit lebhaften Räumen, die z. B. mit Pflanzen bestückt sind und ein ansprechendes Design (Stichwort Farbe) haben.

Eberle: Habt ihr beobachtet, dass Unternehmen in den letzten zwei Jahren vermehrt Büros umgebaut und neu designt haben?

Diziol: Bei privaten Büroträgern haben wir gesehen, dass dort eher die Bereitschaft vorhanden war, hybrides Arbeiten zu etablieren, im Vergleich zu öffentlichen Auftraggebern. Die Rechnung ist hier ganz einfach. Stelle ich mich für potenzielle Arbeitnehmer nicht attraktiv auf, bleiben die Bewerber aus oder Mitarbeiter gehen. Die Öffentlichen haben diesen Druck nicht, dort ist die Fluktuation geringer und sie hatten mehr Zeit, sich daran anzupassen. Sie haben unglaublich aufgeholt.

Diziol und Wohlleben Roundtable

Im Austausch: Annette Diziol von CMT und Robert Wohlleben von JLL zu den zentralen Anforderungen von Büroflächen 

Eberle: Wie können Unternehmen von neuen Arbeitsmodellen überzeugt werden?

Wohlleben: Sie werden überzeugt, wenn Kollegen zu anderen Unternehmen mit attraktiveren Flächen, einem offenen Mindset und modernen Bedingungen für Arbeitsmodelle abwandern. Junge Arbeitskräfte, die frisch von der Uni kommen, schauen sich natürlich ganz genau an, wo die Bedingungen am besten sind. In Behörden ist durchaus der Wille von oben da, Veränderungen anzustoßen, aber einzelne Mitarbeiter sperren sich aus verschiedenen Gründen, zum Beispiel weil sie mit neuen Technologien nicht zurechtkommen und Berührungsängste haben. Ähnliches sehen wir bei alt eigesessenen Familienunternehmen.

Diziol ergänzt: Dafür muss die Führung auch bereit sein, das zu tragen. Sonst bremse ich den Change. Also muss ich auch bereit sein, an mir selbst zu arbeiten.

Lipp: Kunden können hier einwirken. Diese hinterfragen: Der Arbeitgeber geht hier wirklich nicht mit der Zeit – ist das überhaupt noch der richtige Dienstleister für uns? Unternehmen sollten vor allem in ihre Mitarbeiter investieren, sind die wichtigsten Werte. Sie sollten auch so behandelt werden. Werden Mitarbeiter allein gelassen, egal ob im Home Office oder im Büro, geht es ihnen schlecht. Das zeigen Erhebungen von Krankenkassen, Stichwort mentale Gesundheit. Ich würde sagen, Führungskräfte müssen bei so einem Change, ganz stark an sich arbeiten, um Mitarbeitern diesen Wandel zu ermöglichen.

Tidd: Viel hat mit Leadership und dem Managementstil zu tun. Der Fokus sollte auf dem Hauptkunden liegen: den eigenen Mitarbeitern. Wir haben gesehen, dass jeder in einer hybriden Welt arbeiten will. Aber das ist noch nicht genauer definiert. Jede Region auf der Welt hat einen anderen Ansatz für das remote Working, aber die meisten wollen in einem hybriden System arbeiten. Es ist kein Zufall, dass eine der wichtigsten Fragen in einem Unternehmensleitbild die Frage nach dem Arbeitsmodell der Unternehmen ist. Auch Fragen nach ESG-Leitbild spielen hier eine immer größere Rolle.

Eberle: Ich denke auch, dass das Nachhaltigkeits- und Kostenbewusstsein bei Mitarbeitern gestiegen ist und deshalb eine Rolle spielt, wie sehen Sie das?

Wohlleben: In dem Sinne habe ich das nicht festgestellt, zumindest was das Pendeln angeht. Eine entscheidende Frage ist hier die Entwicklung der Energiepreise. Wie teuer beheize ich meine eigene Wohnung, was kostet Strom? Ansonsten stimmt das sicher. Wir haben aktuell noch eine Firmenwagenflotte, bieten auch E-Bikes an, Firmenwagen stellen wir gerade auf Hybride Modelle um.

Eberle: Firmenwagen als Status ist auf dem Rückweg, besonders jüngere brauchen und wollen dies nicht mehr, besonders in Metropolen. Nachhaltigkeitsbewusstsein ist hier wichtiger. Auch wegen der Stadtplanung.

Tidd: Was Deutschland in Sachen ESG hier sehr gut macht: In großen Städten, zum Beispiel in den USA: Die Städte sind sehr teuer, ich kann hier arbeiten, will aber nicht hier wohnen. In Deutschland gilt hier der Maßstab der 15-Minuten-Stadt, wo man alles gut in kurzer Zeit mit dem Fahrrad erreichen kann. Für mich ist zum Beispiel München eine 15-Minuten-Stadt, kleinere Städte in Deutschland auch.

Diziol fügt hinzu: Wir sehen auch, dass wir unsere Tiefgaragenstellplätze ständig leer haben, ist dann auch Indiz.

Zusammenfassung

Abschließend halten wir fest: Das Büro bleibt auch in Zukunft wichtig. Entscheidend wird für die Zukunft sein, dass die Räumlichkeiten sowohl mit modernster Technologie, ergonomischen Arbeitsutensilien und ansprechendem Design ausgestattet werden. Denn dann können Mitarbeiter länger ans Unternehmen gebunden und Umsätze gesteigert werden. Mehr Flex Work wird dagegen nicht zwingend zu weniger Flächenverbrauch führen, vielmehr sollten diese Flächen dazu genutzt werden, neue Services anzubieten oder die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. 

Genauso wird Hybrides Arbeiten Teil der Arbeitswelt bleiben. Unternehmen müssen hierfür das richtige Mindset auch in der Führung etablieren und gleichzeitig in ihren Räumlichkeiten die notwendige Infrastruktur implementieren.

Hier können Sie die komplette Aufzeichnung sehen:

Astrid Eberle Roundtable Video
  • Share this article